„Nur deswegen gibt es noch Vampire, weil keiner glaubt, dass es noch welche gibt!“, schreit Dracula-Darsteller Jakob Hirmer aus seiner zweistöckigen Burg in die Menschenmenge und lässt das Blut in den Adern der erstarrten Theatergäste gefrieren.
Lange haben wir überlegt, ob denn das Gruseldrama um den rumänischen Grafen eine etwas zu harte Kost für das Waldtheater-Publikum sein könnte, doch dann kam Regisseur Hänk Höfellner eine glänzende Idee.
Warum verlegt man nicht den Schauplatz ins beschauliche Niederbayern, man baut urig ulkige Charaktere ein und verfeinert das Ganze mit einem Musikensemble, Gesangseinlagen, Pyrotechnik und genialen Lichteffekten?
Sofort war klar, dass das zweite Waldtheater in Schildthurn nach dem Wahnsinnserfolg vor zwei Jahren mit dem Wirtshaus im Spessart erneut eine große Herausforderung werden wird.
Unsere 22 Schauspieler haben unter Höfellner Blut geschwitzt und die Musiker haben sich die Finger wund gespielt. Unsere Workshop-Bühnenbauer haben drei Schauplätze erstellt, von denen zwei Bühnen sogar doppelstöckig sind und sich dazwischen ein schauriger Friedhof befindet. Das Highlight ist selbstverständlich, dass sich all dies im Wald befindet, was von Haus aus schon für die nötige Grundatmosphäre sorgt.
Gleich bei der Premiere konnten die Akteure dem ausverkauftem Haus die Geschichte von einer der unheimlichsten Gestalten der Menschheit näherbringen:
Ein idyllischer Ort im bayrischen Grenzgebiet zu Österreich in den 20ger Jahren. Der Großbauer Moorer (Karl Holböck) versucht seine wirtschaftliche Situation durch den Verkauf von Grundbesitz zu verbessern. Zu diesem Zweck wird der ungeliebte Schwiegersohn Jonathan Hacker (Christoph Präbst) zum Vertragsabschluss zu einem mysteriösen Grafen in die Karpaten geschickt.
Dieser sehnt sich danach sein einsames Refugium zu verlassen, insbesondere aber sein unheilvolles Wirken auszuweiten.
Die Abreise Jonathans bringt jedoch eine aus unterdrückten Leidenschaften gespeiste Dynamik in Gang.
Beziehungen werden infrage gestellt, Liebende betrogen und schließlich sterben mit der Ankunft des Grafen Menschen, die jedoch nicht in ihren Gräbern bleiben wollen.
Das Publikum zeigte sich überwältigt von den Schausspielleistungen und dem Facettenreichtum des bayrischen Draculastücks.
Liebe, Verführung, Sehnsucht, Erotik auf der einen Seite, aber auch wieder Verzweiflung, Angst, Panik, Eifersucht auf der anderen Seite. Es scheint, als wäre es das Ziel von Höfellner gewesen, jedes noch so menschliche Gefühl in sein Stück einzubauen.
Wenn dann die Sonne langsam im Wald untergeht, das Vogelgezwitscher aufhört und die Nebelschwaden zu den Klängen des Musikensembles tanzen, spätestens dann befindet sich jeder Zuschauer mittendrin im Stück.
Ein wahres Spektakel, was hier alle Workshop-Mitglieder hier wieder abgeliefert hat und das in der Region seinesgleichen sucht.